Unter dem Himmel der Wüste in Libyen: Abermillionen Sterne und der diffuse Feuerschein der Ölfelder
Weit und breit kein Mensch, nur wir!" Astrid fasst unsere Gefühle in Worte. Nach langer Fahrt von Ghadames durch die endlose Steinwüste Hamada al Hamra waren wir auf diesen zauberhaften Ort gestoßen, in dem Bergkegel aus orangerotem Pulversand zu wachsen scheinen. Jetzt funkeln Abermillionen Sterne wie Diamanten am nachtschwarzen Gewölbe, am Ende des Horizonts lodert der diffuse Feuerschein der Ölfelder. Es sind diese traumhaften Nächte in der Sahara, die Stunden am Lagerfeuer, die man mit niemandem tauschen möchte. Sie machen regelrecht süchtig.
Der nächste Morgen bringt es an den Tag, dass wir so allein im Universum nicht waren. Spuren im Sand zeugen von nächtlichen Besuchern. Ein Schakal und ein Wüstenfuchs hatten sich in das Nachtlager geschlichen. Scheue, harmlose Gesellen, wie Jalal, unser libyscher Führer, versichert. Die Wüste lebt. Pünktlich zum Frühstück stellen sich Krähen ein in der Hoffung auf einen Happen. Und manchmal überholen Weißbürzelsteinschmätzer, Mula-Mula genannt, unsere kleine Jeep-Karawane. Die drosselähnlichen Vögel stehen in dem Ruf, jedes Tröpfchen Wasser zu finden.
In Ghadames (Ghadamis), im Länderdreieck Libyen-Algerien-Tunesien, wo die Asphaltstraße endet, beginnt die Geländewagentour durch die libysche Wüste. Die Oasensiedlung, einst Drehscheibe des Karawanenhandels, zählt heute mit ihrer Lehmziegel-Architektur zum Weltkulturerbe der UNESCO. Von Anfang an ist ein Polizist dabei, denn die algerische Grenze ist nicht weit. Die amtliche Begleitung schreibt die libysche Regierung seit langem vor, und nicht erst, seitdem alleinreisende Touristen in der algerischen Wüste entführt wurden. Die Verhältnisse in Libyen sind anders als beim Nachbarn. Fundamentalismus und religiöse Eiferer haben keine Chance im Staate Gaddafis. Es gibt weder erschreckende Armut, die Kriminalität erzeugt, noch schlecht bezahlte Grenzposten, die sich von Schmugglerbanden korrumpieren lassen. Libyen ist ein reiches Land mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen Afrikas. Quell des Reichtums ist das Erdöl.
Unsere fünf Fahrer sind richtige Wüstenfüchse, die jeden Brunnen kennen und sich in der menschenleeren Weite ebenso zurechtfinden wie unter der Motorhaube. Gute Mechaniker müssen sie auch sein, denn die Toyotas haben bereits 18 Jahre auf dem Chassis. Brandneue, geländegängige Fahrzeuge mit allen technischen Finessen bleiben allein Gaddafi und seinen weiblichen Bodyguards vorbehalten. Damit keiner in die Lage versetzt wird, ihn zu verfolgen, sagt man. Mit seinen wehrhaften Amazonen zieht er sich gern in die Wüste zurück.
Die ersten drei, vier Tage Off-Road kommt uns kein anderes Fahrzeug entgegen. Erst in Ghat, 900 Kilometer später, stoßen wir wieder auf andere Reisende. Ebenso wie Ghadames ist Ghat eine "Hafenstadt" am Rande des Meeres, in der man ankommt und abreist. Während früher Karawanen mit Wüstenschiffen eintrafen, um Wasser und Proviant auf die Kamele zu laden, sind es heute Allradfahrzeuge, die sich ausrüsten. Fast nur Tuaregs wohnen in der 12.000 Einwohner zählenden Oase unterhalb der von Italienern gebauten Festung. Für eine Nacht beziehen wir am Rande der Stadt ein Bambushütten-Camp, um endlich mal wieder duschen zu können. Ganz schnell sehnen wir uns danach, wieder unter dem funkelnden Sternenzelt zu schlafen.
Ghat ist das Eingangstor zum Akakus-Gebirge mit seinen prähistorischen Felsmalereien. Unter Felsvorsprüngen haben unbekannte Künstler der Steinzeit das Leben skizziert. Damals war die Wüste fruchtbares Land. Giraffen, Antilopen, Strauße, Nashörner und Rinderherden sind in der Galerie der alten Meister zu sehen.
Dass Gaddafi die Weite der Wüste den vier Wänden vorzieht, kann man verstehen. Die Wüste ist bildschön und hat viele Gesichter. In der Kieswüste klammern sich spärliche Halfagrasbüschel an den Boden, in der Geröllwüste sind die Steine mit schwarzem Wüstenlack überzogen. Sowohl Canyons gibt es, als auch Tafelberge und Sandsteinkolosse, die von der Erosion gemeißelt wurden. Sogar Salzseen schimmern in der Wüste. Keine Fata Morgana! Man kann darin baden. Und dann ist da noch das unendliche wogende Sandmeer. Bis zu 200 Meter hoch sind die Wanderdünen im Erg Ubari. Oft endet die Piste am Fuße einer Düne. Spuren sind vom Winde verweht und die Korridore müssen neu gefunden werden. In diesem Irrgarten nützt das Satelliten-System GPS nur für die grobe Richtung. Mit Geschick, Steuerakrobatik und vermindertem Reifendruck kurven die Fahrer durch das Sandgebirge. Trotzdem passiert es immer wieder, dass ein Wagen absandet, der Unterboden aufsitzt, Reifen durchdrehen und das Fahrzeug ausgegraben werden muss.
Die Küchenwagen fahren meistens vorweg, um nach einem passenden Picknickplatz zu suchen. Anhand des Reifenprofils im Sand begeben sich die Fahrer auf ihre Fährte. Wenn die Gruppe den nächtlichen Lagerplatz am späten Nachmittag erreicht, ist die Teetafel bereits gedeckt. Die untergehende Sonne verzaubert das Sandmeer in ein rot-goldenes Vlies.
"Abendessen. Alles einsteigen bitte", ruft Achmed, der ein paar Brocken Deutsch aufgeschnappt hat. Alle setzen sich an den langen Tisch unter dem weiten Himmel. Ein weiterer Gast hat sich eingestellt: ein Fennek. Der Wüstenfuchs schaut erwartungsvoll zu uns herüber, dreht seine großen Ohren wie Antennen und schnuppert. In der Wüste ist Gastfreundschaft Gesetz. Damit steht fest: Wir werden das Couscous wohl mit ihm teilen müssen.
Autorin: Elke Sturmhoebel
19 März 2005
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen