23 März 2005

Berufungsprozess nach HIV-Urteil gegen Bulgaren in Libyen

Knapp 11 Monate nach dem Todesurteil gegen die fünf bulgarische Krankenschwestern Valentina Siropoulu, Zdravko Georgiev, Kristina Valcheva, Valia Cherveniashka, Snezana Dimitrova und Nasia Nenova , die Kinder mit Aids infiziert haben sollen, hat in Libyen vor dem Obersten Gerichtshof das Berufungsverfahren begonnen. In Anwesenheit mehrerer europäischer Diplomaten wurde das Verfahren in Tripolis eröffnet. Mit einer Entscheidung sei allerdings erst in vier bis acht Wochen zu rechnen, sagte einer der Verteidiger kurz vor Beginn der Sitzung. Er sei jedoch "optimistisch".

Vor dem Gerichtsgebäude demonstrierten Angehörige von infizierten Kindern mit Plakaten, auf denen Sprüche wie "Tod den Kindermördern" zu lesen waren. Die fünf bulgarischen Krankenschwestern und ein palästinensischer Arzt waren im Mai 2004 für schuldig befunden worden, Kindern in einem Kinderklinik der Küstenstadt Bengasi HIV-verseuchtes Blut verabreicht zu haben. 47 Kinder starben, 380 weitere wurden infiziert. Die Aussagen eines französischen Aids-Experten und von Kollegen aus Italien und der Schweiz, wonach die Infektionen durch die mangelhaften Hygienestandards in der Klinik verursacht wurden, wurden vom Gericht nicht berücksichtigt.

Die Angeklagten wurden zum Tod durch Erschiessen verurteilt. Das Urteil sorgte international für grosse Empörung. In der bulgarischen Presse hiess es, die Verurteilten sollten als "Sündenböcke" herhalten, um in Libyen den wachsenden Unmut über die Aids-Epidemie einzudämmen. Der libysche Revolutionsführer Muammar el Gaddafi wehrte sich noch in der vergangenen Woche bei einem Auftritt während des Gipfeltreffens der Arabischen Liga in Algerien gegen die Vorwürfe aus dem Westen. Am 24. März 2005 hingegen lud er den bulgarischen Präsidenten Georgy Parvanov zu einem Besuch ein.

Gaddafi hatte Bulgarien die Freilassung der sechs Verurteilten gegen eine Art Lösegeld angeboten, das die gleiche Höhe haben sollte wie die Zahlungen Libyens an die Hinterbliebenen des Lockerbie-Anschlags von 1988. Die Regierung in Sofia lehnte dies ab. In den vergangenen Jahren hatte sich Gaddafi bemüht, nach jahrzehntelanger Ächtung in die Weltgemeinschaft zurückzukehren. Die Entschädigungszahlungen waren Teil dieser Kampagne. Tripolis hatte im August 2003 die Verantwortung für den Lockerbie-Anschlag übernommen, bei dem im Dezember 1988 270 Menschen starben.

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