15 Jahre nach dem Anschlag auf ein Passagierflugzeug vom Typ Boeing 747 der US-Fluggesellschaft Pan-Am (Flug PA103) über dem schottischen Ort Lockerbie hat Libyen sich mit den Angehörigen der 270 Todesopfer auf Entschädigungszahlungen in Höhe von 2,7 Milliarden US-Dollar geeinigt. Wie die Anwälte der Angehörigen mitteilten, unterzeichneten sie mit den Vertretern Libyens in London nach einem elfstündigen Treffen eine entsprechende Vereinbarung. Es wurde erwartet, dass Libyen einen Brief an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN) schickt, in dem das Land explizit die Verantwortung für den Anschlag aus dem Jahr 1988 übernimmt. Nach dem von den USA und Großbritannien lang geforderten Schuldeingeständnis Libyens könnten die UN-Sanktionen gegen das Land in der kommenden Woche ganz aufgehoben werden.
Libyen und die Anwälte der Familien der Todesopfer haben eine Vereinbarung unterzeichnet, die vorsieht, ein Treuhandkonto bei der Bank for International Settlements einzurichten", sagte der in Großbritannien ansässige algerische Anwalt Saad Djebbar der Nachrichtenagentur Reuters aus London. "Ich gehe davon aus, dass die UN-Sanktionen gegen Libyen bis Mitte nächster Woche endgültig aufgehoben werden." US-Anwalt Jim Kreindler, der in dem Fall viele Familien vertritt, sagte, er erwarte, dass Libyen die 2,7 Milliarden US-Dollar bald auf das Konto überweisen werde. Reuters sagte er telefonisch, das Geld werde wohl schon kommende Woche überwiesen. Bei dem Anschlag waren im Dezember 1988 alle 259 Insassen des Flugzeugs - zumeist US-Bürger - sowie elf Bewohner von Lockerbie gestorben. Das Flugzeug war auf dem Flug von London nach New York durch einen Sprengsatz zum Absturz gebracht worden. Der libysche Geheimdienstagent Abdel Basset Ali el Megrahi war von einem schottischen Gericht in den Niederlanden 2001 der Tat für schuldig befunden und zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Einige Angehörigen der Todesopfer reagierten mit Verbitterung auf die Vereinbarung. Nichts könne die geliebten Familienangehörigen ersetzten, argumentieren sie und fordern, dass die US-Wirtschaftssanktionen gegen das Land bestehen bleiben. "Natürlich sind wir damit nicht glücklich. Wir haben das Gefühl, dass dies der erste Schritt ist, um (Libyens Revolutionsführer) Muammar Gaddafi zu rehabilitieren", sagte Dan Cohen aus New Jersey, dessen 20-jährige Tochter bei dem Anschlag getötet worden war. Stephanie Bernstein aus Maryland, die ihren Ehemann bei dem Anschlag verlor, sagte, sie wolle zunächst warten und sehen, wie Libyen die Verantwortung für den Anschlag übernimmt. Es wurde erwartet, dass das US-Außenministerium den Angehörigen den Wortlaut der Erklärung Libyens am 15. August übermittelt. Libyen hatte im März 2003 die Formulierungen, mit denen es die Verantwortung für den Anschlag übernimmt, akzeptiert und dies am 11. August in Gesprächen mit britischen und US-Vertretern bestätigt. Die USA und Großbritannien haben bislang weder den Wortlaut veröffentlicht noch bestätigt, dass es eine Einigung zwischen den Familien und Libyen gegeben hat. Der Einigung zufolge könnte Libyen für jedes der 270 Todesopfer zehn Millionen US-Dollar Entschädigung bezahlen. Die erste Zahlung von jeweils vier Millionen US-Dollar würde nach dem Aufheben der UN-Sanktionen gegen das Land erfolgen. Die Sanktionen waren 1992 auferlegt und 1999 nach der Auslieferung zweier Verdächtiger ausgesetzt worden. Eine zweite Zahlung in Höhe von vier Millionen US-Dollar soll erfolgen, wenn die USA ihre eigenen Sanktionen gegen Libyen beenden. US-Vertreter kündigten jedoch bereits an, diese würden zunächst bestehen bleiben. Weitere zwei Millionen US-Dollar sollen fließen, wenn die USA das Land von ihrer Liste der Staaten, die nach US-Einschätzung Terrorismus unterstützen, entfernen. Sollten die USA diese Schritte nicht binnen acht Monaten nach Eingang der 2,7 Milliarden US-Dollar auf dem Treuhandkonto unternehmen, würden die Angehörigen insgesamt lediglich 5 Millionen US-Dollar erhalten. Das restliche Geld würde dann wieder an Libyen zurücküberwiesen.