06 Januar 2009

Bewässerungsfelder in Libyen als Winterquartier für Weißstörche

Libyen erschien Ornithologen bisher eher weniger interessant. Der Artenreichtum vor Ort ist überschaubar und es galt als sicher, dass die Weißstörche (Ciconia ciconia), wenn sie im Herbst ihre Winterquartiere beziehen, östlich und westlich an dem nordafrikanischen Staat vorbeifliegen. Denn Störche sind Segelflieger und benötigen warme Aufwinde, die nur über Land entstehen. Deshalb können sie das Mittelmeer nicht überfliegen. Ihre Routen führen über den Bosporus oder über die Straße von Gibraltar bis in die Sahelzone oder ins südliche Afrika. Das war zumindest die Theorie. Umso erstaunlicher war die Entdeckung, die Jens Hering bei einer Urlaubsreise Ende 2007 in der libyschen Sahara machte. Eigentlich wollte sich der Angestellte einer Naturschutzbehörde im sächsischen Zwickau die besonderen Landschaftsformationen anschauen. Doch bei einer Fahrt im Landesinneren stutzte er:"Von weitem sahen wir dort unglaublich viele schwarze Flecken. Als wir näher kamen, stellten wir fest, dass das die Bewässerungsfelder waren und auf den Bewässerungsfeldern standen sehr viele Weißstörche. Wir haben dann eine Zählung durchgeführt und sind auf sage und schreibe 600 Vögel gekommen. Und das ist für Nordafrika im den Winter eine ganz verrücktes Ergebnis. Im Winter soll es in Nordafrika keine Weißstörche geben. Und das war die große Überraschung."Mit dieser Entdeckung sorgte der Hobby-Vogelkundler für Aufsehen. Denn Libyen liegt genau in der Mitte der beiden Vogelzugrouten und eigentlich viel zu weit nördlich für ein Winterquartier. Der Grund, dass die Störche eine solch große Umleitung fliegen, sind vermutlich künstlich angelegte Bewässerungsfelder. Seit den 70er Jahren ließ die libysche Staatsführung unterirdisch lagerndes Süßwasser, das noch aus der Eiszeit stammt, an die Oberfläche pumpen. Das bewässert mehrere 10.000 Hektar Anbaufläche in der Wüste. Für die Störche sind diese Felder eine ideale Oase: Hier finden sie Nahrung und Wasser. Im Mai nahm Jens Hering noch einmal Urlaub und reiste ein zweites Mal nach Libyen. Dabei begleitete ihn sein Bekannter Elmar Fuchs. Der Landschaftsplaner befasst sich ebenfalls mit Ornithologie. Er wollte wissen, ob die Felder mehr sind als nur Rastplätze:"Da war die spannende Frage, was passiert zur Brutzeit dort. Mai ist sogar für Libyer unangenehm mitten in der Sahara. Es ist sehr heiß und wir wollten eben wissen, was ist dort auf diesen Bewässerungsfeldern los. Und waren ganz erstaunt, dass unser Weißstorch dort sogar brütet. Und das bei Temperaturen von 50 Grad Celsius. Der brütet also nicht mehr, sondern spendet nur noch Schatten für seine Jungen. Das war eine Überraschung. Zumal wir noch erfahren haben, dass das seit Jahren so gehen soll."Die Entdeckungen von Jens Hering und Elmar Fuchs könnten viele Lücken in der vogelkundlichen Erforschung Libyens schließen, denn das Land gilt als weißer Fleck auf der ornithologischen Landkarte. Für das kommende Frühjahr bereiten sie eine dritte Expedition in die libysche Wüste vor. Die finanzieren der Behördenangestellte und der Landschaftsplaner selbst. Mit der wollen sie klären, ob auch an anderen Bewässerungsfeldern ähnlich viele Weißstörche anzutreffen sind. Daneben will Jens Hering auch Informationen über die Tiere gewinnen, die aus den bereits bekannten Winterquartieren wieder nach Europa zurückkehren."Wir wollen erstmals den Vogelzug während des Heimzuges, also zu der Zeit beobachten, analysieren, kartieren, wenn unsere Zugvögel aus dem südlichen Afrika wieder in ihre europäischen Brutgebiete fliegen. Und es ist ganz spannend, wo die Störche, die dort in der Sahara sitzen, wo die herkommen. Da müssen wir einfach weiterforschen und beringte Störche werden uns da Aufschluss geben."Unter denen werden sicherlich einige Tiere sein, die ihren Sommer in Deutschland verbringen. Vielleicht tun sie das aber nicht mehr lange. Denn Jens Hering und Elmar Fuchs haben von Einheimischen erfahren, dass es seit einigen Jahren Störche gibt, die auch den ganzen Sommer über in der Sahara bleiben.

Quelle: Thomas Schwarz, DLR

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