16 März 2005

Libyen hält zwei deutsche Touristen aus Tuttlingen fest

Die libyschen Behörden halten seit zwei Wochen zwei Touristen aus Tuttlingen fest. Der Vorwurf: Versuchter Schmuggel antiker Kulturgüter. "Alles Unsinn", widerspricht eine Angehörige, "es wurden nur Steine gefunden, x-beliebige Steine aus der libyschen Wüste." Ein Ende des Dramas ist nicht abzusehen. Im schlimmsten Fall droht Haft.

Die beiden Tuttlinger - Vater und Sohn im Alter von 70 und 44 Jahren - waren seit dem 12. Februar 2005 in Libyen mit ihrem allradgetriebenen Wohnmobil unterwegs. Sie gehörten zu einer Gruppe aus neun Personen, sieben Schweizern, zwei Deutschen. Ihr Konvoi umfasste fünf Fahrzeuge.
Am 2. März 2005 standen die Reisenden an der libysch-tunesischen Grenze. Man wollte in die tunesische Hauptstadt Tunis und dort die Fähre nach Genua (Italien) nehmen. Eine Routinesache für den jüngeren Deutschen, der Nordafrika schon mehrere Male bereist hatte. Doch an der Grenze herrschte Aufregung. Die libyschen Zollbeamten hatten Franzosen kontrolliert und bei ihnen Verdächtiges entdeckt: angeblich antike Scherben. Auf die illegale Ausfuhr von Kulturgut stehen in allen Ländern Nordafrikas, des Nahen und Mittleren Ostens hohe Strafen bis hin zum Gefängnis, die Zollbehörden lassen nicht mit sich verhandeln. "Nur dieser dumme zeitliche Zufall, dass die Franzosen genau vor der deutsch-schweizer Gruppe am Zoll waren und erwischt worden sind, war das Verhängnis für meinen Mann und meinen Sohn", sagte die Ehefrau und Mutter der beiden Tuttlinger gegenüber der Schwäbischen Zeitung. Die durch die Franzosen misstrauisch gewordenen Zollbeamten hätten das Wohnmobil der beiden Männer sehr genau kontrolliert und dabei einen kleinen Beutel mit Steinen entdeckt: "Souvenirs, Wüstensteine, wie es sie zu Milliarden gibt", seufzt die Frau. Ihr Sohn habe als Besitzer des größten Autos die Erinnerungsstücke für die ganze Gruppe an Bord gehabt: "Das ist jetzt sein Pech." Die libyschen Behörden vermuten anderes: Sie glauben, dass es sich nicht um Steine handelt, sondern um antike Scherben, Überreste historisch bedeutsamer Vasen. Die Konsequenz folgte sofort: Dem jüngeren Deutschen nahmen die Grenzbehörden den Pass ab, um seine Ausreise zu verhindern. Der Vater blieb aus Solidarität bei seinem Sohn, während die Schweizer weiterfahren durften und sogar noch die Fähre erreichten. Tage unsicheren Wartens auf einem Zollparkplatz in der sengenden Sonne Nordafrikas begannen. Bereits einen Tag später nahm die deutsche Botschaft in Tripolis Kontakt zu den beiden Deutschen auf. "Konsularische Betreuung" nennt das Diplomatendeutsch diesen Vorgang. Er hat zum Ziel, dass die Tuttlinger in den Verhandlungen mit den libyschen Behörden nicht alleine sind und soll eine gerechte juristische Behandlung sicher stellen.

Über eine Woche aber tat sich gar nichts. Nach zehn Tagen durften die Deutschen wie auch die Franzosen in die libysche Hauptstadt Tripolis fahren. Dort warten sie in einem Hotel auf den weiteren Verlauf des Verfahrens. Derzeit prüfen die libyschen Behörden den Wert des Fundgutes und lassen ein Gutachten erstellen. Die Ehefrau und Mutter hat täglich telefonischen Kontakt zu Mann und Sohn. "Es geht ihnen sehr gut, sie werden freundlich behandelt und dürfen sich auch in Tripolis frei bewegen", berichtete sie gestern, "sie werden sogar eingeladen." Nur eben ausreisen - das darf ihr Sohn nicht.

Am 15. März 2005, so sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes, habe man mit Fortschritten gerechnet, sei aber auf den 16. März verwiesen worden. Eventuell sei Anfang nächster Woche mit der Ausreise zu rechnen. Es gebe überhaupt keine Erfahrungen, wie die libyschen Behörden in solchen Fällen reagieren. Daher sei eine Aussage, wie sich die Sache weiterentwickelt, nicht möglich. In die Bemühungen um die freie Ausreise des Mannes, der als Hauptbeschuldigter gilt, hat sich nach Angaben von FOCUS Online auch der frühere Staatsminister im Kanzleramt, Bernd Schmidbauer (CDU), eingeschaltet. Der Bundestagsabgeordnete hielt sich vor einer Woche in Libyen auf und erfuhr vor Ort von dem Grenzzwischenfall. Schmidbauer, früherer Geheimdienstkoordinator in der Regierung von Helmut Kohl, habe gute Verbindungen in den libyschen Sicherheitsapparat. Die Ungewissheit über das weitere Schicksal macht der Ehefrau und Mutter schwer zu schaffen: "Aber ich vertraue auf die Fairness des Libyer.

Autor: Ludger Möllers, Schwäbische Zeitung

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