Ein Vertrag über die Erschließung von Öl- und Gasvorkommen in Libyen bringt den deutschen RWE-Konzern in Konflikt mit den USA. Hochrangige US-Diplomaten haben RWE nach Informationen der Financial Times Deutschland auf mögliche Konsequenzen für dessen Amerika-Geschäft hingewiesen, falls der Konzern den Vertrag erfülle. Die USA sind daran interessiert, Investitionen ausländischer Konzerne in die Energiewirtschaft Libyens und Irans klein zu halten, solange US-Unternehmen dort wegen der US-Sanktionspolitik nicht arbeiten können.
Ende Mai 2003 hatte die Konzerntochter RWE-Dea mit dem libyschen Staatskonzern NOC National Oil Company einen Vertrag um die gemeinsame Suche und Förderung nach Gas und Öl. Lizenzen wurden für das Sirte-Becken, Cyrenaika-Becken und das Kufra-Becken abgeschlossen.. RWE-Dea will bis 2008 rund 56,5 Millionen US-Dollar investieren. RWE betreibt über seine Tochter Thames Water das US-Unternehmen American Water Works, den größten privatwirtschaftlichen Wasserversorger der USA. Das Unternehmen wäre im Falle politischer Kampagnen in den USA wirtschaftlich angreifbar, etwa bei öffentlichen Ausschreibungen. RWE-Dea bestätigt Gespräche mit US-Vertretern: "Es kamen Fragen dazu auf, aber aus unserer Sicht ist das überhaupt kein Problem mehr", sagte RWE-Dea-Sprecher Harald Graeser auf Anfrage der Zeitung. Aus dem Konzern heißt es hingegen, das Geschäft stehe auf dem Prüfstand, da RWE in den USA womöglich ein Imageschaden drohe. Bei einem Rückzug aus Libyen müsste RWE-Dea allerdings mit einer Konventionalstrafe rechnen. Nach dem US-Gesetz "Iran Libya Sanctions Act / ILSA) sind heimischen Unternehmen Geschäfte mit Libyen und Iran untersagt. Ausländische Unternehmen, die in die dortige Energiewirtschaft mehr als 20 Millionen US-Dollar jährlich investieren, müssen in den USA mit Sanktionen rechnen. Die Europäische Union (EU) hat diese Gesetz nie anerkannt und vor der Welthandelsorganisation (WTO) Beschwerde eingelegt. Nach dem deutschen Außenwirtschaftsgesetz ist es deutschen Unternehmen sogar verboten, sich an Boykottaufrufen gegen Staaten zu beteiligen. In früheren Jahren waren auch die italienische ENI, Total Fina sowie die deutsche BASF Wintershall AG wegen ihrer Aktivitäten in Libyen und Iran mit amerikanischen ILSA-Prüfungen konfrontiert worden. Letztlich hatten US-Präsidenten aber stets darauf verzichtet, tatsächlich Sanktionen zu verhängen. Auch die US-Konzerne nutzen die rechtlichen Schlupflöcher. Der US-Ölfeldausrüster Haliburton ist über eine deutsche Tochter, die Halliburton Company Germany mit Sitz in Celle, in Libyen aktiv. Auf Nachfrage der Financial Times Deutschland räumte die Firma ein: "Sicher sind wir dort, als reiner Servicedienstleister. Wir halten uns an sämtliche in Deutschland und Europa geltenden Gesetze", sagte ein Manager. Halliburton leitet im Auftrag der US-Regierung den Wiederaufbau der irakischen Ölwirtschaft. US-Vizepräsident Richard Cheney führte das Unternehmen bis 2000.