Wie tief ist das Mittelmeer? Vor dem Auftrag, die Pläne für eine neue Gaspipeline zwischen Sizilien und Libyen zu begutachten, hätte Trond Hjedrem auf einige Hundert Meter getippt. Nun weiß er, dass es im Mittelmeer Gräben gibt, die bis in 1127 Meter Tiefe reichen. Eine Tatsache, die seine Aufgabe nicht gerade einfacher macht. Hjedrem, Chef der Offshore and Industrial Services des Germanischen Lloyd (GLO), soll dafür sorgen, dass die Pipeline, die voraussichtlich im Frühjahr 2003 verlegt wird, auch tatsächlich hält. "In dieser Tiefe hat bisher noch niemand ein so großes Rohr verlegt", sagt der Norweger, der seit 11 Jahren in Hamburg lebt. Eine Herausforderung für Material und Technik. Deshalb hat das italienische Energieunternehmen Agip, das die Pipeline verlegen lässt, die Hamburger Prüfer beauftragt, alle Berechnungen und Pläne gegenzuchecken. Schließlich steht etwa eine Milliarde US-Dollar auf dem Spiel.
GLO gehört zu weltweit etwa zehn Spezialisten, die eine solche Aufgabe übernehmen können. In aller Welt checken rund 300 Ingenieure Raffinerien, Bohrinseln und Pipelines. Etwa 60 von ihnen arbeiten in der Hamburger Zentrale. Das Unternehmen macht einen Umsatz von gut 30 Millionen Euro. Weil die Energieunternehmen auf der Suche nach den Gas- und Ölreserven der Erde immer größere Risiken eingehen müssen, wachsen auch die Erlöse der Sicherheitsspezialisten stetig. Ein Plus von 23 Prozent waren es 2001. "Und das, obwohl unsere Checks in den meisten Ländern nicht gesetzlich vorgeschrieben sind", sagt Hjedrem. "Die Unternehmen wollen einfach auf Nummer sicher gehen." Pipelines gehören zum Spezialgebiet des Chefs. Er hat unter anderem den Bau der Europipeline von Norwegen nach Deutschland betreut. Um das Wattenmeer nicht zu zerstören, wurde extra ein Tunnel unter dem Watt gebohrt. Auch dieses Projekt erforderte einen gewaltigen logistischen Aufwand. Doch im Gegensatz zum Mittelmeer nimmt sich die 50 Meter tiefe Nordsee fast wie eine Pfütze aus. "Ein Problem ist der enorme Außendruck von 113 bar, der in der Tiefe herrscht", sagt Hjedrem. Die Wassermassen sind in der Lage, die Stahlrohre mit 81 Zentimeter Durchmesser einfach platt zu drücken. "Wenn das geschieht, müssen ganze Teilstrecken neu verlegt werden. Ein Millionenschaden", sagt Hjedrem. Deshalb werden in gewissen Abständen Rohre mit dickeren Wänden in die Pipeline eingesetzt, die Dellen, die sich im Stahl bilden, aufhalten und so verhindern, dass am Ende gar kein Gas mehr von Libyen nach Italien fließen kann. Verlegt wird die Pipeline von einer schwimmenden Plattform aus, einem so genannten Halbtaucher, der auf den ersten Blick wie ein Bohrinsel aussieht. Schweißautomaten setzen an Bord des Giganten die einzelnen, zwölf Meter langen Rohrstücke zusammen und lassen sie dann ins Wasser. Im Gegensatz zur Nordsee, wo die Röhren schnell den Grund erreichen, hängt die Pipeline im Mittelmeer aber Hunderte von Meter im Wasser. "Da baut sich ein Zug auf, als würden 350 Autos am Haken hängen", sagt Hjedrem. In flachen Gewässern krallt sich die Plattform förmlich mit Hilfe von acht Ankern in den Grund, um dem Zug standzuhalten. Doch auch das geht im Mittelmeer nicht. Stattdessen müssen die Propeller des Halbtauchers die Plattform auf Position halten. Ist das Kräfteverhältnis nicht genau austariert oder fallen die Motoren plötzlich aus, knickt die Pipeline ab. All das haben Hjedrem und sein Team überprüft, haben sich die Qualität der in Deutschland und Japan gefertigten Röhren vor Ort in den Fabriken angeschaut. Details über die genaue Verlegemethode stehen zwar noch aus, doch mittlerweile ist sich der Chef sicher: "Diese Pipeline lässt sich bauen." Und wenn sich der Germanische Lloyd verrechnet hat? "Wir haben uns noch nie verrechnet", sagt Hjedrem.