17 Mai 2009

Schweiz untersagt US-Ermittlungen im Atomschmuggel-Fall Tinner

Die Ermittlungsbehörden der USA dürfen in der Atomschmuggelaffäre die Anwälte der Familie Tinner aus Rheintal nicht befragen. Das Bundesamt für Justiz (BJ) hat dem Chefermittler des aussenpolitischen Ausschusses im US-Kongress, Douglas Frantz, eine Bewilligung verweigert.

Das Bundesamt für Justiz habe am 11. Mai 2009 US-Ermittler Frantz schriftlich untersagt, den Anwalt von Urs Tinner, Roman Bögli, zu befragen, bestätigte dessen Sprecher Folco Galli. Bei einer Befragung des Anwalts durch einen offiziellen US-Vertreter würde es sich um eine verbotene Handlung für einen fremden Staat handeln, sagte Galli und verwies auf Artikel 271 des Strafgesetzbuches.

Der Bund habe Frantz die Bewilligung auch verweigert, weil das Strafverfahren gegen die Familie Tinner - die Brüder Marco und Urs sowie Vater Friedrich - hängig sei. Zudem sei der Fall im Parlament noch nicht fertig aufgearbeitet. Douglas Frantz befasst sich für den US-Kongress mit dem Thema der Weiterverbreitung von Atomwaffen und galt schon vor seinem Amtsantritt im Januar 2009 als Kenner der Materie. So hat er zusammen mit einer Journalistin das Buch "The Nuclear Jihadist" zum Schmuggelring um den pakistanischen "Vater der Atombombe" Abdul Qader Khan geschrieben, zu dem die Familie Tinner gehört haben soll.

Gegen die Tinners wird wegen Verstössen gegen das Güterkontroll- und das Kriegsmaterialgesetz ermittelt. Die drei wurden zwischen Oktober 2004 und September 2005 verhaftet. Friedrich Tinner wurde Anfang 2006 wieder entlassen. Seine Söhne kamen erst nach Jahren aus der Untersuchungshaft frei - Urs Ende 2008 und Marco Anfang 2009. Die genaue Rolle der Familie ist unklar. Nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft (BA) arbeiteten die Tinners aber ab 2003 auch mit dem US-Geheimdienst CIA zusammen. Dank ihrer Tipps soll unter anderem 2003 eine Lieferung von Zentrifugen an Libyen verhindert worden sein. Dies besiegelte das Ende des dortigen Atomprogramms. Auch sollen die Tinner mitgeholfen haben, das Khan-Netz zu enttarnen.

Der Fall machte auch Schlagzeilen, nachdem aufgeflogen war, dass der Bundesrat Ende 2007 die Vernichtung der Tinner-Untersuchungsakten und -daten angeordnet hatte. Der Bundesrat begründete diesen Eingriff in ein laufendes Verfahren mit Sicherheitsbedenken. Trotz gross angelegter Schredderaktion tauchte ein Teil der Akten im April 2009 wieder auf - im Archiv der Bundesanwaltschaft. Seitdem kämpft der zuständige Eidgenössische Untersuchungsrichter Andreas Müller dafür, diese Akten auf seinen Tisch zu bekommen. Bislang ist ihm dies nur zum Teil gelungen.