Seine E-Mail-Adresse weist ihn als "Gast" der Schweizer Botschaft in Tripolis aus. In der E-Mail selbst bezeichnet sich der ABB-Mitarbeiter aber als Geisel Libyens. Seit neun Monaten werden er und ein zweiter Schweizer Geschäftsmann des Nestlé-Konzerns in Tripolis festgehalten. Eine Entscheidung zur Ausreise ist offensichtlich an eine Einigung im Fall um Hannibal Gaddafi verknüpft, für dessen kurzzeitige Haft im Sommer 2008 aus einem Hotel in Genf, Libyen weiterhin auf eine Entschuldigung und eine Entschädigung wartet.
Dem Tagesanzeiger gab der ABB-Mitarbeiter an "Unser Leben scheint momentan nicht mehr unmittelbar in Gefahr zu sein, wir sind aber völlig rechtlos und fühlen uns machtlos und ausgeliefert." Dies gehe nicht spurlos an einem vorbei. "Auch für unsere Angehörigen ist dieser lang andauernde Ausnahmezustand sehr belastend."
Auch zur Politik des Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) gibt sich der ABB-Mittarbeiter aber noch zurückhaltend: "Wir möchten momentan unsere Sicht der Dinge nicht an die Öffentlichkeit tragen oder gar einzelne Personen angreifen." Er lässt aber durchblicken, dass das EDA in seinen Augen wohl nicht sämtliche Mittel ausschöpft, um ihn und seinen Gefährten freizubekommen. "Wir Geiseln und unsere Familien haben dem EDA verschiedentlich unsere Anliegen, unsere Sorgen und auch unsere Kritik mitgeteilt", schreibt der ABB-Mitarbeiter. Die Geiseln seien in den Verhandlungen des EDA aber nun einmal nur einer von vielen Verhandlungspunkten, die es zu berücksichtigen gebe.
Hoffnung schöpft der Dauergast in der Schweizer Botschaft aus einer Kundgebung, die am 22. April 2009 in Genf stattfindet. Organisiert wird der Schweigemarsch unter dem Titel "Free our citizens" vom Politiker Stéphane Valente (SVP). Weitere kantonale Politiker verschiedener Parteien haben ihre Teilnahme zugesagt. Insgesamt rechnet Valente mit 500 Demonstranten. Der Zeitpunkt ist bewusst gewählt: "Libyen hat den Vorsitz der Antirassismus-Konferenz der Vereinten Nationen", erklärt Valente. "Lässt das Land die beiden Schweizer ausreisen, könnte es beweisen, dass ihm tatsächlich etwas an den Menschenrechten liegt."
Auch wenn Libyen die beiden Schweizer jetzt nicht gleich ziehen lässt – vergeblich ist die Genfer Demonstration in keinem Fall: "Es ist gut zu wissen, dass es Leute gibt, die uns nicht vergessen haben", schreibt der ABB-Mitarbeiter. "Es macht Mut und gibt Hoffnung."