Nach den Regelvorschriften der Afrikanischen Union sollte diesmal ein nordafrikanischer Staate den Vorsitz der Au übernehmen. Libyens Revolutionsführer Muammar el Gaddafi war als einziger der nordafrikanischen Staaten bereit, an dem Gipfeltreffen der AU in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba teilzunehmen.
Nichtöffentlich wurde daraufhin Muammar el Gaddafi am 3. Februar 2009 zum neuen Präsidenten der Afrikanischen Union (AU) bis 2010 gewählt. Gaddafi löst den bisherigen AU-Präsidenten Jakaya Kikwete aus Tansania ab.
Gaddafi inszenierte die Wahl als eine Art Krönungsmesse. Der libyische Revolutionsführer erschien in einer mit Brokat bestickten goldenen Robe und Mütze und forderte die Teilnehmer auf, ihn "König der traditionellen Könige Afrikas“ zu nennen. Dieser Titel war ihm vor einigen Wochen von mehreren libyschen Stammesführern verliehen worden. Gaddafi wurde auf dem Gipfel von sieben dieser "Könige" in traditionellen Gewändern und mit Goldschmuck behängt begleitet.
In seiner Antrittsrede sprach sich Gaddafi für eine Schaffung der "Vereinigten Staaten von Afrika" aus, gab aber zu, dass die Erreichung dieses Ziels noch nicht unmittelbar bevorstehe. Er wolle sich diesem Ziel widmen. "Ich hoffe, meine Amtszeit wird eine Zeit der ernsthaften Arbeit und nicht der Worte."
Gaddafi, der sich schon länger als überzeugter Pan-Afrikaner gibt, schwebt ein riesiger, vereinter Staat Afrika vor mit gemeinsamer Währung, gemeinsamen Pässen und gemeinsamer Armee. Diese "Vereinigten Staaten von Afrika" würden nach Gaddafis Plänen eine gewichtige Rolle in der Weltpolitik spielen. Diesen Vorschlag trug er auch am 1. Februar 2009 in Addis Abeba wieder vor.
Viele afrikanische Staats- und Regierungschefs stehen einer Einheitsregierung des Kontinents skeptisch gegenüber, da sie einen Verlust ihrer nationalen Selbstbestimmung fürchten. Auch Gaddafi selbst ist manchem Staatsoberhaupt nicht ganz geheuer. Als Kompromiss wurde eine Erweiterung des Mandats der AU-Kommission vereinbart, das bislang lediglich das Sekretariat der AU ist. Die AU-Kommission solle in eine "AU-Behörde" mit einem breiteren Mandat und größerer Kapazität umgewandelt werden, teilte der Kommissionsvorsitzende Jean Ping mit. Die Behörde solle von einem Präsidenten und einem Stellvertreter geleitet werden, die Kommissare würden wie Minister mit eigenen Zuständigkeitsbereichen ausgestattet. Die neue Institution solle den Kontinent näher an das Ziel der "Vereinigten Staaten von Afrika" bringen, sagte Ping, der offenbar schon ganz auf Gaddafi-Kurs ist.
Die International Herald Tribune berichtet, dass Gaddafi bereits auf der nächsten AU-Sitzung im Juli 2009 über die Schaffung der Vereinigten Staaten von Afrika abstimmen lassen will.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) kritisierte die Wahl Gaddafis, in dessen Land keine Meinungsfreiheit herrsche. "Libyen hat keine unabhängigen Nichtregierungsorganisationen, und die Regierung kontrolliert alle Formen der öffentlichen Äußerung streng", sagte Gipfelteilnehmer Reed Brody von HRW. Die libysche Regierung sperre noch immer Menschen ein, die Gaddafi kritisierten. Hunderte seien "verschwunden".
Auf dem 12. Gipfeltreffen der AU beraten die 53 Mitgliedstaaten über die Zukunft des Kontinents. Neben der Entwicklung der Infrastruktur stehen vor allem schwelende Konflikte wie im Kongo oder in Somalia auf der Tagesordnung.