26 Juli 2007

Bulgarische Krankenschwestern berichten über ihre Haft in Libyen - Frankreich plant Zusammenarbeit mit Libyen im Bereich Atomenergie

Erstmalig seit ihrer Freilassung haben sich die bulgarischen Krankenschwestern öffentlich geäußert. Sie berichten von schlechten Haftbedingungen und Folter.

Zwei der Krankenschwestern bestätigten am 25. Juli 2007 auf einer Pressekonferenz in Sofia, dass sie im libyschen Gefängnis gefoltert wurden. Sie erklärten, sie wollten im Rahmen der in Bulgarien bereits eingeleiteten Ermittlungen gegen mehrere libysche Offiziere entsprechend aussagen. Noch während ihrer Haft in Libyen hatten die Frauen behauptet, sie hätten nur unter Folter eingestanden, die Kinder mit dem HI-Virus angesteckt zu haben. Die Frauen und der Arzt erzählten, die Zustände im libyschen Gefängnis seien während der ersten drei der insgesamt achteinhalb Jahre ihrer Haft "sehr schlecht" gewesen.

Die fünf bulgarischen Krankenschwestern und der ebenfalls freigekommene Arzt palästinensischer Herkunft leiden an einem psychischem Syndrom, das dem von U-Boot-Besatzungen ähnelt. Es werde durch "einen langen Aufenthalt in einem geschlossenen Raum unter schlechten Bedingungen" ausgelöst, sagte der Direktor des Militärkrankenhauses, in dem erste medizinische Untersuchungen an den Freigelassenen vorgenommen wurden. Die Rückkehrer und ihre Familien machten nun die "schwierigste Phase" durch, und es sei schwer vorherzusehen, wie sie nach der langen Stress-Periode reagieren würden.

Die Krankenschwestern und der Arzt werden den Angaben zufolge den gleichen Tests unterzogen, wie sie für Soldaten nach einem Einsatz im Irak oder in Afghanistan vorgesehen sind. Der Ehemann einer der Freigelassenen, Sdrawko Georgiew, der von 1999 bis 2004 selbst in libyscher Haft saß, aber noch nicht nach Bulgarien ausreisen durfte und erst jetzt mit den Krankenschwestern zurückkehrte, musste demnach wegen Bluthochdrucks und Herzproblemen im Krankenhaus behandelt werden. Sein Zustand habe sich aber normalisiert. Der bulgarische Verteidigungsminister Wesselin Blisnakow bot den Freigelassenen einen kostenlosen 20-tägigen Aufenthalt in einem Sanatorium der bulgarischen Armee an.

Die ursprünglich zum Tode verurteilten Krankenschwestern waren beschuldigt worden, mehr als 400 libysche Kinder in einer Klinik in Benghazi vorsätzlich mit dem HI-Virus angesteckt zu haben. 50 davon sind an Aids gestorben. Die Krankenhausmitarbeiterinnen waren seit 1999 inhaftiert. Die Familien der HIV-infizierten Kinder in Libyen zeigten sich derweil empört über die Begnadigung der Krankenschwestern und des Arztes durch den bulgarischen Staatspräsidenten. Darin komme ein Mangel an Respekt vor den Opfern zum Ausdruck, der sie tief enttäusche, erklärte die Vereinigung der Familien. Interpol solle die sechs Freigelassenen in Bulgarien wieder festnehmen, damit sie ihre Haftstrafen komplett verbüßen.

Derweil ist der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy
am 25. Juli 2007 in Libyen mit Revolutionsführer Muammar al Gaddafi zusammengetroffen. Ziel seiner Reise sei die Eingliederung des einstigen Paria-Staates in die internationale Gemeinschaft, hieß es. Er wolle mittels einer Vertiefung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen dem Erdöl-Förderland die Rückkehr in das "Konzert der Nationen" ermöglichen, sagte Sarkozy. "Ich bin glücklich, in Ihrem Land zu sein, um über die Zukunft zu sprechen", schrieb er in das Gästebuch in Gaddafis Residenz. Sein Sprecher David Martinon nannte Libyen wegen seiner Lage einen "strategischen Gesprächspartner". Sarkozy und seine Frau Cécilia hatten sich bereits zuvor intensiv um die Freilassung der Krankenschwestern und des Arztes bemüht.

Bei dem Treffen vereinbarten Frankreich und Libyen eine Zusammenarbeit bei der friedlichen Nutzung der Atomenergie. Ziel sei der Bau eines Atomkraftwerks in Libyen, das Energie zur Meerwasser-Entsalzung liefern solle. Einem französischen Regierungssprecher zufolge unterzeichneten die Außenminister beider Länder auch eine Vereinbarung über eine Rüstungszusammenarbeit. Zudem war von einem Abkommen über eine Bildungs- und Forschungskooperation die Rede.

Auch US-Aussenministerin Condoleezza Rice erklärte, sie hoffe, bald nach Libyen reisen zu können. Der bulgarische Ministerpräsident Sergej Stanischew erklärte, Sofia werde Tripolis möglicherweise Schulden in Höhe von rund 39 Millionen Euro erlassen. Dies sollte dann aber nicht als Lösegeldzahlung für die freigelassenen Krankenschwestern und den Arzt, sondern als humanitäre Hilfe verstanden werden, betonte er.